Motorische Barrierefreiheit: So machst du Software für alle bedienbar

29.08.2025

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Patrick Hupka

Motorische Barrierefreiheit: Von Karpaltunnelsyndrom bis Mausarm. Sofort umsetzbare UX Design Optimierungen für bessere Accessibility und Usability.

Illustration einer zitternden Hand, die versucht, einen kleinen 'Send'-Button zu treffen. Wellenförmige Linien zeigen das Zittern der Hand. Visualisiert die Herausforderungen bei eingeschränkter Feinmotorik.
Illustration einer zitternden Hand, die versucht, einen kleinen 'Send'-Button zu treffen. Wellenförmige Linien zeigen das Zittern der Hand. Visualisiert die Herausforderungen bei eingeschränkter Feinmotorik.
Illustration einer zitternden Hand, die versucht, einen kleinen 'Send'-Button zu treffen. Wellenförmige Linien zeigen das Zittern der Hand. Visualisiert die Herausforderungen bei eingeschränkter Feinmotorik.

Oma kann beim Online-Banking den Entwurf für die Überweisung nicht löschen - sie trifft die winzigen Buttons einfach nicht. Motorische Einschränkungen sind alltäglicher als gedacht: Karpaltunnel-Syndrom, RSI vom Tippen, müde Finger nach 10 Stunden Coding, oder das Baby auf dem Arm. Motorische Einschränkungen sind alltäglich und vielfältig. 

In diesem Artikel zeige ich dir die häufigsten Hürden und konkrete Checks, die deine Software sofort besser machen.

Illustration eines User Journey Flows: Eine Hand drückt einen Button, gefolgt von vier Domino-ähnlichen Karten mit den Schritten 'Zu kleiner Button', 'Verfehlter Klick', 'Frustration' und 'Verlorenes Vertrauen'. Zeigt die negativen Auswirkungen schlecht gestalteter Bedienelemente.

Die 4 häufigsten User Experience Probleme für Menschen mit Bewegungsbeeinträchtigungen

Hier sind die Probleme, die bei motorischen Einschränkungen am häufigsten begegnen und nicht nur Menschen mit Einschränkungen stören:

Feinmotorik und kleine Touch-Targets

Stell dir vor, du musst mit Handschuhen tippen. So fühlt es sich an, wenn Finger steif oder unpräzise sind.

Isometrische Darstellung einer Hand, die präzise auf ein Smartphone mit Diagramm-Display tippt. Zeigt erfolgreiche, zielgenaue Touch-Interaktion mit gut gestalteten Bedienelementen.

Häufige Problembereiche

  • Winzige 'X'-Buttons zum Schließen von PopUps

  • Kleine Pfeile zum Ausklappen

  • Icons ohne ausreichend Klickfläche

  • Präzise Slider-Bedienung

Muskelermüdung bei wiederholten Bewegungen

Komplexe Gesten werden anstrengend, besonders beim sogenannten “Mausarm” oder Tremor.

Häufige Problembereiche

  • Komplexe Drag & Drop-Aktionen

  • Lange Swipe-Gesten

  • Scrolling durch endlose Listen

  • Multi-Touch-Gesten

Koordinationsprobleme und versehentliche Klicks

Zitternde Hände oder verlangsamte Reaktionszeiten führen zu ungewollten Aktionen.

Häufige Problembereiche

  • Zu eng beieinander liegende Buttons

  • Kritische Aktionen ohne Bestätigung

  • Hover-Effekte, die sofort verschwinden

  • Zeitbasierte Interaktionen

Ein-Hand Bedienung

Ein gebrochenes Handgelenk oder ein Baby auf dem Arm - plötzlich wird Ein-Hand-Bedienung essentiell.

Häufige Problembereiche

  • Zwei-Hand-Shortcuts (Strg+Alt+...)

  • Rechtsklick Funktionen

  • Komplexe Input Kombinationen

Checkliste: So machst du deine Software für alle Nutzer zugänglich

Jetzt wird's praktisch. Hier sind die wichtigsten Optimierungen - aufgeteilt in "Quick Wins" und langfristige Verbesserungen:

Checkliste für Bewegungsbarrierefreiheit mit zwei Abschnitten: 'Sofort umsetzbar' enthält 5 Checkboxen für Quick Wins wie 44px Touch-Targets und Tastatur-Navigation. 'Langfristige Optimierung' listet 7 erweiterte Maßnahmen wie Skip-Links und Gesten-Optionen auf.

5 Quick Wins für bessere Accessibility

44px Touch-Targets 

Alles was klickbar ist, sollte mindestens 44 x 44 Pixel groß sein. Das gilt auch für Desktop-Auflösungen! Teste mit dem Daumen: Kommst du ohne Probleme an alle wichtigen Buttons, ohne präzise zu zielen?

Screen-Recording der Navigation des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Das Burgermenu wird geöffnet. Zu sehen ist, dass alle Icons groß genug und mit optimalem Spacing gestaltet sind.


Tastatur-Navigation testen

Maus weg, nur die Tab-Taste verwenden. Kommst du überall hin? Siehst du den aktuellen Fokus? Das ist der einfachste Test überhaupt. Mehr Details zur Keyboard-Navigation findest du in meinem Artikel über barrierefreie Formulare.


Ausreichend Abstände

Interaktive Elemente brauchen Platz. Stelle sicher, dass ausreichend Abstand zwischen anklickbaren Bereichen ist. 

Vergleich von Button-Größen: Oben drei kleine, eng beieinander liegende Buttons (mit rotem X markiert), unten drei größere Buttons mit mindestens 44px Höhe und mehr Abstand (mit grünem Haken markiert). Demonstriert optimale Touch-Target-Dimensionen.


Drag & Drop Alternativen

Immer auch "Click-to-Move" oder Kontextmenü-Optionen anbieten. Nicht jeder kann gleichzeitig klicken, halten und bewegen.


Hover-Alternativen

Wichtige Infos und Funktionen auch durch Klick oder Keyboard erreichbar machen.

Langfristige UX Design Optimierungen für motorische Zugänglichkeit


Skip-Links implementieren

"Zum Hauptinhalt springen"-Link ganz oben, sichtbar beim ersten Tab-Drücken. Spart Nutzern das Durchklicken durch Menüs. Bei komplexen Menüstrukturen ein absolutes Muss. 

Screen recording von der Nutzung der Patagonia Website. Auf "Tab" taucht in der Ecke links oben ein Button mit der Beschriftung "Direkt zum Inhalt" auf. Mit Enter springt man direkt in den Inhalt.


Feedback-Systeme verbessern 

Visuelle Bestätigung (Button-Animation, Farbwechsel) und optional auditive Rückmeldung bei Aktionen. Achte dabei auf ausreichende Farbkontraste, damit alle Nutzer die Änderungen wahrnehmen können.


Dropdown-Alternativen 

Besonders bei Datum/Jahr: Vollständige Kalender statt endloses Scrollen durch Dropdown-Listen.


Step-by-Step Prozesse 

Formulare aufteilen statt alles auf eine Seite. Reduziert Scrolling und erlaubt oft auch mehr Platz für Buttons. 

Screen-Recording eines Formulars von Typeform, das pro Schnitt immer nur ein Input-Field anzeigt.


Gesten-Optionen 

Shake-to-unlock und ähnliche Gesten abschaltbar machen oder Alternativen bieten.


Mobile Thumb-Zonen beachten 

Wichtige Buttons in die gut erreichbaren Bereiche für beide Daumen platzieren.

Smartphone-Illustration mit drei Schwierigkeitszonen für Touch-Bedienung: Rot markierter Bereich oben als 'Schwierig', gelber mittlerer Bereich als 'Stretch' und grüner unterer Bereich als 'Einfach'. Zeigt ergonomische Erreichbarkeit auf mobilen Geräten.


Keine strengen Zeitlimits 

Wenn nötig, großzügige Zeitspannen mit Warnung vor Ablauf.

Diese Optimierungen machen deine Software für alle Nutzer besser bedienbar. Wie du den ROI solcher UX-Investitionen messbar machst, erfährst du in meinem KPI-Guide.

Kleine UX-Änderungen die eine große Wirkung haben

Motorische Einschränkungen sind alltäglicher, als die meisten denken. Die Lösungen sind, wie oben gezeigt, nicht komplex und verbessern automatisch die Usability für alle Nutzer. Ein klassischer Win-Win.

Fang mit den Quick Wins an - 44px Touch-Targets und Tastatur-Navigation testen, kostet dich 30 Minuten, bringt aber sofort spürbare Verbesserungen.

Brauchst du Unterstützung bei der Optimierung deiner Software? Dann lass uns sprechen. Gemeinsam finden wir heraus, ob und wie ich dir helfen kann.  

Häufige Fragen zu motorischer Barrierefreiheit in Software

Welche motorischen Einschränkungen gibt es bei der Software-Nutzung?

Mehr als man denkt! Arthritis in den Fingern, Karpaltunnelsyndrom vom vielen Tippen, schmerzende Handgelenke (RSI), ein Gips nach dem Skiurlaub. Oder ganz alltäglich: müde, nach 8 Stunden am Laptop. Sogar ein Baby auf dem Arm macht dich plötzlich zum Ein-Hand-Nutzer. 

Ist barrierefreie UX auch bei B2B Software relevant? 

Absolut! Deine Nutzer sind Menschen, keine Maschinen. Der Produktmanager mit schmerzenden Händen, die Entwicklerin nach 10h Coding, der CEO mit dem gebrochenen Handgelenk. Wenn deine Software nur für perfekte Bedingungen funktioniert, verlierst du Nutzer.

Ist motorische Barrierefreiheit gesetzlich vorgeschrieben?

Für öffentliche Stellen ja, für private Unternehmen noch nicht direkt. Seit Juni diesen Jahres gelten strengere EU-Richtlinien. Für bestimmte und bereits bestehende Produkte gelten Übergangsfristen, du solltest aber besser früh, als spät anfangen.

Wie kann ich meine Software für motorische Einschränkungen optimieren?

Mach deine Interaktions-Elemente mindestens 44x44 Pixel groß und teste die Tastatur-Navigation. Maus weg, nur Tab-Taste. Kommst du überall hin? Dauert keine 30 Minuten, bringt sofort Verbesserungen. Das sind die wichtigsten Quick Wins.

Macht das meine Software langsamer oder unschöner? 

Ganz im Gegenteil! Größere Buttons, klare Navigation, bessere Abstände - das macht deine Software für ALLE schneller und angenehmer. Schau dir Apple an: Deren Interface ist schön UND funktional. Barrierefreiheit bedeutet nicht hässlich.

Wie unterscheidet sich die motorische Barrierefreiheit von anderer Barrierefreiheit? 

Motorische Barrierefreiheit dreht sich um die Bedienung: Kann ich klicken, tippen, wischen? Visuelle Barrierefreiheit fragt: Kann ich es sehen? (Kontraste, Farben). Kognitive Barrierefreiheit: Kann ich es verstehen? Alles wichtig, aber unterschiedliche Baustellen.

Wie groß sollten Buttons für barrierefreie Software sein?

Faustregel: Mindestens 44x44 Pixel, etwa so groß wie dein Daumen. Das funktioniert auf Desktop und Mobile. Kleiner wird's schwierig - besonders mit müden oder zittrigen Fingern. Größer ist fast immer besser.

Was kostet die Umsetzung von motorischer Barrierefreiheit?

Weniger als man denkt! Die meisten Verbesserungen sind CSS-Anpassungen: Button-Größen erhöhen, Abstände vergrößern, Hover-Effekte anpassen. Das kostet Stunden, nicht Wochen. 

Bild des Autors - Patrick Hupka

Patrick Hupka

Freelance UI/UX Designer mit 16+ Jahren Erfahrung. Ich gestalte intuitive, nutzerzentrierte digitale Produkte. Mein Ziel: Technologie mühelos nutzbar machen und echten Mehrwert schaffen.

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